FACHBEREICH GESCHICHTE, ETHIK UND THEORIE DER MEDIZIN

Sinnesgeschichte der Klinik 1800-2020

Abstract

Im 19. Jahrhundert machte die Medizin wortwörtlich atemberaubende Fortschritte auf dem Gebiet der Infektiologie und wies nach, dass Bakterien für eine Vielzahl von Krankheiten verantwortlich sind. Hatte man bis dato schlechte Luft, die Miasmen, und Contagien für Krankheiten verantwortlich gemacht, galt es nun, sich der Desinfektion zuzuwenden. Doch wie bereits Alain Corbain aufzeigte, nahm damit nicht die Furcht vor schlechter Luft ab, im Gegenteil schaute man mit Ekel und Entsetzen vor allem auf den Geruch armer Menschen. Sinneseindrücke spielen eine große Rolle bei der Diagnostik, wenn wir sehen, fühlen, tasten, hören. Die Klinik gilt heute als lauter Ort. Untersuchungen zeigten, dass auf einer Intensivstation die Lautstärke ähnlich hoch, wie auf einer vielbefahrenen Straße ist. So mancher nimmt an, dass es früher ruhiger in Kliniken gewesen sei. Doch ist das so?

Menschen sind und waren immer auch Rezipienten ihrer Sinneswahrnehmungen abseits klinischer Methoden, wenn sie in Kliniken und Krankenhäusern ihren Dienst versahen oder als Patienten Aufenthalt in Gesundheitseinrichtungen nahmen. Damit einher gingen immer Praktiken des Umgangs mit Infektionsprophylaxen. Wenn wir heute in Deutschland von Querlüften und Stoßlüften mit Selbstverständlichkeit sprechen, so sah das vor zweihundert Jahren noch ganz anders aus. Menschen hatten Angst, zu lüften, Angst, sich zu waschen, Furcht vor Blumen am Krankenbett und eine Vielzahl an edukativen Schritten war nötig, damit Lüften die Selbstverständlichkeit wurde, die es heute ist. Dabei behielten Traditionen wie das Ausräuchern von Zimmern mit geheimnisvollen Ingredienzien noch lange ihren Platz, während manche Praktiken in der Gegenwart nur im neuen Gewand noch immer angewendet werden.

Das Forschungsprojekt geht der Frage nach den Sinnen der Klinik nach und dort im Besonderen den Sinneseindrücken und Praktiken rund um das Krankenzimmer. Wie roch es dort? Wie entwickelte sich die Medialisierung von einem abgeschirmten Ort der Ruhe ohne Ansprache oder Bildern hin zu einem individualisierten Platz mit Fernsehen und Computern? Wie hörte sich Klinik an? Wie fühlte sich Klinik an? Und wie entwickelte sich Kranksein geschmacklich im Sinn der Diätetik?

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Letzte Änderung: 25.07.2024 - Ansprechpartner:

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